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2020-05-19T09:49:41+02:0007.Mai 2020|

Österreich:

Wie sinnvoll ist Einwegpfand? – Dr. Christian Plas im Interview mit der ARA (Altstoff Recycling Austria)

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Warum Einzelaktionen in der Kreislaufwirtschaft nichts bringen und die öffentliche Diskussion über Getränkeverpackungen und Einwegpfand am Thema vorbeigeht, erläutert Dr. Christian Plas, Managing Partner der „denkstatt“, eines der führenden Beratungsunternehmen für Umwelt und Nachhaltigkeit, im Interview.

Herr Plas, in letzter Zeit wurden mehrere Studien zu Getränkeverpackungen, Einwegpfand und Mehrwegsystemen veröffentlicht. Warum ist das aktuell ein Thema?
Einerseits sehen wir uns durch die Vorgaben des EU-Kreislaufwirtschaftspakets und der EU-Einwegkunststoff-Richtlinie mit großen Herausforderungen konfrontiert. Wir müssen beim Siedlungsabfall zusätzliche 350.000 t Recycling schaffen, bei Kunststoffverpackungen die Recyclingquote in den nächsten fünf Jahren verdoppeln und bis 2029 eine ambitionierte 90 Prozent-Sammelquote bei Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff schaffen. Unabhängig davon, aber in der Öffentlichkeit gern vermischt, ist die Frage der ökologischen Vorteilhaftigkeit von Einweg- und Mehrweg-Getränkeverpackungen, bei der die technische Entwicklung der letzten Jahre viele gewohnte Einschätzungen obsolet gemacht hat. 
Wir müssen die EU-Vorgaben in Österreich bis Juli 2020 in nationales Recht gegossen haben; das bedeutet Informations-, Innovations- und Investitionsbedarf und daher drängt die Zeit. Diese breite Diskussion ist auch Anlass, dass ältere Konzepte wieder herausgeholt werden. Andererseits wurde natürlich die internationale Diskussion zu Kreislaufwirtschaft stark forciert, vermischt mit einer zunehmend kritischen Wahrnehmung von Kunststoff in der Öffentlichkeit

„denkstatt“ hat im Auftrag der ARA untersucht, wie bis 2030 die EU-Ziele für Kunststoffverpackungen erreicht werden können. Wie nähert man sich einer derart komplexen Fragestellung?
Erstens: zurücklehnen und betrachten, wie das Gesamtbild aussieht und wo die großen Herausforderungen liegen. Zweitens: methodenneutral analysieren, wie die politischen Vorgaben und Zielgrößen ökologisch sowie volkswirtschaftlich effizient erreicht werden können.
Hier besteht ein grundlegender Unterschied zwischen den diversen Studien. Bei manchen liegt der Fokus auf PET-Flaschen – diese stellen aber die geringste Herausforderung dar: Wir haben heute schon eine Sammelquote von 76 Prozent und müssen bis 2025 auf 77 Prozent kommen, bis 2029 auf 90 Prozent. Aber selbst die Steigerung auf diese 90 Prozent Sammelquote bringt nur rund 8.000 t für das Gesamtziel, und das lautet 90.000 t mehr an Kunststoffrecycling bis 2030. Wenn wir uns auf Plastikflaschen mit nicht einmal 10 Prozent Beitrag zum Gesamtziel fixieren, dann sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Wir haben uns gefragt: Wie erreichen wir die EU-Ziele am effizientesten, denn die Kosten müssen wir alle als KonsumentInnen tragen. Daher war es logisch, vom Großen zum Kleinen zu gehen, damit nicht eine Partikularlösung das Gesamtoptimum behindert. 

Was bedeutet das konkret?
Konkret bedeutet das: Wie erreicht Österreich effizient das EU-Recyclingziel von 65 Prozent für Siedlungsabfall im Jahr 2035? Das mag weit in der Zukunft scheinen und auch noch evaluiert werden, doch es fehlen uns noch rd. 350.000 t Recycling, obwohl wir bereits im absoluten EU-Spitzenfeld liegen. Eine Ebene darunter liegen die Recyclingziele für Verpackungen, bei denen wir bei den Kunststoffen sicherlich vor der größten Herausforderung stehen: von heute 25 Prozent – bereits nach der neuen und verschärften EU-Methode berechnet – bis 2025 auf 50 Prozent Recycling und bis 2030 auf 55 Prozent. Und erst dann folgt das Unterziel der getrennten Sammlung von Kunststoffflaschen, das ja seinerseits zur Recyclingquote beitragen soll.

Und erreicht Österreich die EU-Ziele?
Ja, wir können sie erreichen und unsere Spitzenstellung in der EU aufrechterhalten. Dafür brauchen wir aber ein Bündel an Aktivitäten. Das reicht vom Ausbau der getrennten Sammlung, verbunden mit verstärkter Kommunikation an alle KonsumentInnen, bis hin zur Implementierung technischer Innovationen, also z.B. Sortierverfahren und Digitalisierungskonzepte. Das reicht von der Gestaltung recyclingfähiger Verpackungen mit hohem Rezyklatanteil bis hin zur Verbesserung der Akzeptanz von Gütern aus Sekundärrohstoffen, damit der Kreislauf auch in Schwung kommen kann. Einen guten Überblick dazu hat zum Beispiel die ARA bereits letztes Jahr anhand von zwölf Maßnahmen sehr umfassend gegeben.
Wichtig scheint mir aber, dass nun bald die politischen Weichenstellungen vorgenommen werden. Jetzt ist die Chance da, die getrennte Sammlung für die KonsumentInnen einfacher und bequemer zu machen, also warum warten? Die gelbe und blaue Sammlung könnten rasch zusammengelegt werden und schon könnten wir in ganz Österreich einheitlich kommunizieren. Auch die Frage Einwegpfand ja/nein muss dringend entschieden werden, denn sie beeinflusst die Investitionsentscheidung für neue Sortieranlagen, die wir dringend brauchen.

Ist ein Einweg-Pfand aus Ihrer Sicht sinnvoll? Andere Studien halten es für die beste Lösung.
Ökologisch und ökonomisch ist es aus unserer Sicht in Österreich nicht sinnvoll. Dazu ist unsere Abfallwirtschaft technisch und logistisch zu hoch entwickelt. Es würde für 16 Prozent der Kunststoffverpackungen ein neues Parallelsystem erforderlich machen und die Effizienz der übrigen 84 Prozent beeinträchtigen. Abgesehen davon müssen wir versuchen, das Konsumverhalten 2030 zu erahnen: Der Megatrend heißt Convenience. Deutsche Studien erwarten bis 2030 bis zu 9 Prozent des Lebensmittelbezugs über Online-Handel. Diese KonsumentInnen sehen keinen Supermarkt mehr von innen. Die Kreislaufwirtschaft muss daher diese Convenience bieten und das ist in Österreich mit zwei Millionen Recycling-Sammelpunkten zweifellos der Fall. In Ländern, in denen jedoch die Abfallwirtschaft und das Bewusstsein der Bevölkerung nicht so entwickelt sind wie in Österreich, kann ein Pfand sehr gute Dienste leisten. Aber noch einmal: Es geht bei uns nicht nur um die Sammlung von Einweg-PET-Flaschen, sondern darum, den gesamten Wertstoff aus dem Restmüll rauszuholen, um das Gesamt-Recyclingziel zu erreichen. Da nützt uns ein Pfand nichts. 

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